Der Bus schaukelt stillvergnügt vor sich hin. Ich sitze in der allerletzten Reihe. Direkt neben mir befindet sich die Toilette. Einen Gangplatz hätte ich mehrmals finden können, aber keinen Fensterplatz, außer diesem. Wird schon gut gehen. In der allerletzten Minute vor der Abfahrt bekomme ich - leider - noch einen Nachbarn. Seine Gitarre wuchtet er in die Gepäckablage. Außer einer ganz kleinen Tasche hat er nichts dabei. Es sei denn, sein riesiger Koffer liegt wie meine Tasche hinter dem Gepäckverschlag. Aber noch hoffe ich, dass er weit vor Salvador den Bus verläßt. Und schon hat er sein Smartfone beim Wickel, um allen von seiner Abreise zu berichten.
Noch ist es hell und ich kann meinen Fensterplatz genießen. Ich meine, wir sind schon zwei Stunden unterwegs, als ich ganz weit entfernt Oskar Niemeyers letztes Projekt sehe: den Fernsehturm, der für mich aussieht wie eine Tulpe ohne Blüte aber mit Blatt. Der gute Mann ist 2012 kurz vor seinem 105. Geburtstag gestorben. Was für eine lange Zeit, um etwas zu schaffen!
An meinem Bus steht sehr groß Rapido Federal. Trotz meiner mageren Portugiesischkenntnisse weiß ich, dass rapido schnell heißt. Dabei hält der Bus dauernd an. Wenn er schon hält, dann nichts wie raus und ein paar Schritte gehen, auf die Toilette gehen, oder Wasser kaufen, manchmal auch etwas zum Essen. Meistens frage ich den Fahrer, wie lange wir Aufenthalt haben. Ich achte auch darauf wo meine Mitreisenden sich aufhalten. Diesmal - Zeit habe ich genug - gehe ich auf die andere Straßenseite in eine Art Bäckerladen. Als ich zurückkomme, ist der Parkplatz leer! Das kann doch gar nicht sein! Ich entdecke im Terminal eine Mitreisende, die mit ihrem Gepäck darauf wartet abgeholt zu werden. Ich frage sie sehr aufgeregt nach dem Bus, der nach Salvador fährt. Sie sieht sich suchend um und entdeckt ihren ehemaligen Nebenmann. Der erklärt mir lachend, dass der Bus in die Werkstatt gefahren sei und gleich wiederkomme. Ich glaube, mein erleichtertes Ausatmen ist noch ein paar Meter weiter zu hören.
Und dann kommt die Nacht. Ich lese noch eine Weile, muss dann aber doch eingeschlafen sein. Als ich wach werde ist mein Nachbar verschwunden. Wie schön, dann kann ich es mir richtig gemütlich machen.
Morgens hat sich die Landschaft wieder sehr verändert. Kargheit, Dürre, eintrocknende Wasserlöcher bestimmen das Bild. Aber noch finden die Rinder Nahrung und Wasser.
Vor zwei Jahren haben Heini und ich eine Reise in die Chapada Diamantina gemacht. Das ist ein Naturschutzgebiet, das bei den Brasilianern in vorderer Reihe steht wenn es um Beliebtheit geht. Zu Recht. Heini und ich haben dort wunderbare Tage verlebt, wir sind gewandert oder haben uns von einem englisch sprechenden Guide herumfahren lassen. Das einzige, das mir sehr leid getan hat war, dass meine Batterie just in dem Augenblick leer war, als ich ein tolles Foto der berühmten Inselberge machen wollte. In der Ferne sehe ich Berge. Die könnten zur Chapada Diamantina gehören. Ich fotografiere wie eine Geistesgestörte! Und es ist die Chapada! Wir kommen an einem Schild vorbei. Das einzige was mich stört, ist der Gedanke, dass wir vor zwei Jahren sieben Stunden von Salvador aus für die Fahrt gebraucht haben, und eigentlich habe ich mein Soll an Kilometern hinter mich gebracht. Eigentlich. Aber sieben Stunden gehen auch vorbei.
Das Hinterland von Salvador wird wieder karg und reich an Kakteen. Mir gefällt diese Landschaft, aber ich bin ja auch keine Kuh!
Kurz vor Salvador kommen wir in eine Militärpolizei Kontrolle. Whow, die Jungs haben alles dabei, was man für eine Schießerei benötigen könnte. Gegen zu starke Sonneneinstrahlung tragen sie in der Farbe ihrer Uniform Sonnenhüte, die unter dem Kinn befestigt sind. Das mildert etwas ihr kriegerisches Aussehen. Beide sind ausgesprochen freundlich. Nach einem netten Schwätzchen - einer der beiden spricht englisch - wandern sie weiter zum Ende des Busses. Einer macht die Klotür auf und sofort wieder zu und flitzt nach vorne zum Fahrer. Jetzt setzt der sich in Bewegung. Nase zuhalten, Clotür öffnen, irgend etwas sprühen und die Tür zuwerfen - alles in einem Atemzug -. Ich weiß, warum ich mir schon vor Stunden, sobald der Bus sich leerte, einen anderen Platz gesucht habe!
Und wenn die Fahrt auch noch so lang ist, irgendwann ist auch der letzte Meter geschafft. Am Rodovario nehme ich mir über die Zentrale ein Taxi und eine halbe Stunde später halten wir vor der Pousada da Concha.
Endlich angekommen.
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