Der Taxifahrer ist pünktlich. Um 15h fahren wir vom Hotel Manaca los. Diesmal soll die Reise von der dafür vorgesehen Halle losgehen. Mein Ticketverkäufer hat mir genau erklärt in welcher Reihe ich mich heute anstellen soll. Und das Schiff käme zwischen 15:30h und 16.00h. Ich muss gestehen, ein wenig skeptisch war ich schon. Und wie sich heraus stellt, nicht grundlos. Die Wartehalle ist leer - außer dem müden Mann, der den Platz neben mir einnimmt. Aber ich bleibe ruhig, schaue aus dem Fenster, beobachte die dicken Regentropfen und kaufe mir am Kiosk ein Stück Pudding mit Karamellsoße. Meike, das ist dein Lieblingsnachtisch und schmeckt hier köstlich. Er ist auch wesentlich preisgünstiger als die Miniportion, die wir an der Pariser Oper bekommen haben. In Ermangelung eines Tellers wird die Portion ohne Zaudern in einen Plastikbecher gehievt. Geht doch alles!
Um kurz nach 16h erscheint plötzlich mein freundlicher Kartenverkäufer und eröffnet, dass mein Schiff es leider nicht schafft mich hier abzuholen, aber ich werde auf Kosten der Gesellschaft mit einem Taxi an die Liegestelle gefahren.
Ich lach´ mich tot! Bei jetzt mehr stockendem als fließendem Verkehr geht die Fahrt genau dort entlang, wo ich gestern gelaufen bin. Ich könnte fast noch die Geier und Reiher begrüßen -, um dann durch die ärmsten der Armenviertel zu fahren. Weiter geht es durch ein nicht aufgeräumtes Industriegebiet und nach etlichen Kilometern durch Regen und mehrmaligem Nach - dem Weg - Fragen des Fahrers, geht es durch ein großes geöffnetes Tor und wir sind an der gleichen Anlegestelle, von der aus ich letztes Jahr losgefahren bin.
Das Boot wird noch eifrig beladen. Gut, dass ich Hilfe bekomme von einem Mann, der meine Tasche über die steile Treppe hinunter auf eine Art Floß und von da aus an Bord bringt. Und schon stehen wir vor dem obligatorischen Tisch, an dem der Zahlmeister sitzt, der die Liste der Passagiere anfertigt. Mein Ticket gebe ich ab und bekomme von ihm ein anderes. Der Preis ändert sich nicht.
Ich finde einen neuen Helfer für die nächste Treppe. Unten ist eh alles voll und ich brauche Luft. Auf dem Oberdeck ist noch ein Plätzchen für meine Hängematte vorhanden. Das Gepäck kommt auf ein Lattengerüst darunter.
Neben mir haben es sich zwei junge Männer bequem gemacht. Ich bitte meinen Helfer, die Hängematte zu befestigen. Ich traue ihm mehr als mir, einen so festen Knoten zu machen, dass ich nicht auf den Boden krache. Jetzt noch den Schlafsack aus dem Rucksack puhlen, und dann kann ich es mir auch gemütlich machen.
Unschwer zu erkennen: es regnet wieder. Die Bootsleute entrollen die Persenning, sodass wir nicht nass werden. Dieses Foto entsteht während ich in meiner Hängematte liege und den Zoom betätige.
Unsere "Nelio Correo" sieht dem zu sehenden Schiff sehr ähnlich, sie ist nur kleiner.
Wir älteren Europäer können uns gut an die Zeit erinnern, als auch bei uns die Heuermänner alles auf dem Nacken schleppen mussten. Hier sind die Zeiten noch nicht vorbei. Ich bemühe mich auf meinen Reisen zu beobachten, aber möglichst keine Urteile über Gesehenes zu fällen. Ich denke aber, wo so viele Männer sonst keine Arbeit finden würden, ist es gut, einen bezahlten Job wie diesen zu haben.
Zwei der Motorräder gehören Florian und Tristan, meinen französischen Nachbarn. Tristan ist schon zwei Jahre in Australien unterwegs gewesen und fährt jetzt mit seinem Bruder durch Südamerika.
Besser von hinten, als gar nicht zu sehen! Kurz vor der Abreise, es ist schon dunkel, kommt noch eine junge Frau an Bord. Sie findet neben den Jungen ihren Platz. Jetzt sind wir vier Europäer, zwei Deutsche und zwei Franzosen. Ihre Reise geht nach Santarem und von da aus weiter nach Alter do Chao, an das ich die allerbesten Erinnerungen habe. Auch diese Reisegefährtin ist schon überall auf der Welt gewesen. Sie ist Biologin und hat ein paar Jahre in Westafrika gearbeitet. Wir haben ausreichend Gesprächsstoff und die Zeit wird nie lang. Die anderen Reisenden sind zum größten Teil Familien, die die Feiertage bei ihren Familien verleben wollen.
Auf dem Oberdeck befindet sich im Bereich des Treppenaufgangs die "Bar". Ein Kiosk klappt am Vormittag sein Gitter nach oben und die Verkäuferin ist gleichzeitig die Herrin des riesigen Fernsehers und der Musikanlage. Ich habe den Eindruck, dass es einen Musikfilm gibt und eine CD. Die Wiedergabe klingt hinter unserer Holzplatte, die als Raumteiler dient, wie die alten Schelllack Platten meiner Oma, nur viel lauter. Macht aber gar nichts, ich habe meinen Kindle und kann lesen.
Das Essen muss extra gekauft werden, das heißt eine Karte, die im Speiseraum der Essen - Auffüllerin gegeben wird.
Zum Frühstück gibt es ein gebratenes Ei, ein weiches Brötchen, eine Scheibe Melone, wahlweise eine Banane , süßen Kaffee mit Milch. Zum Mittagessen Reis, Nudeln-fünf Minuten zu lang gekocht -, Bohnen, Huhn und Rindfleisch, einen Löffel voll Salat sowie eine Scheibe Melone. Abends, das ist einfach, gibt es das gleiche wie Mittags. Das Fleisch ist sehr lecker zubereitet. Die weichgekochten Nudeln sind auch kein Problem, sie kleben so wunderbar aneinander, das sie sich schneiden lassen und "gabelgriffig" sind!
Ich habe ein kleines Problem mit der Menge. Ich mag nicht, wenn der Teller so vollgeladen ist und noch weniger, wenn alles aufeinander liegt und on Top das Melonenstück. Beim ersten Mal war ich nicht schnell genug, aber schon bei der zweiten Mahlzeit habe ich das Heft des Handelns an mich gerissen - und der Frau, die jedem den Teller füllt, mit sanfter Gewalt den Löffel entführt: entweder Reis oder Klebenudeln, keine Bohnen und ein kleines Stück Fleisch und keinen Salat. Die Gefahr, dass ich Durchfall bekomme, ist mir zu groß. Die Melone lege ich auf eine Serviette. Geht doch!
Nachdem ich mich jetzt so ausführlich über das Essen ausgelassen habe, will ich auch noch etwas zu den sanitären Anlagen sagen. Sie sind besser als ich befürchtet habe. Sie befinden sich auf dem unteren Passagierdeck. Es gibt ein paar Duschen, ein paar Toiletten und Extrabecken zum Wäsche waschen, Zähne putzen, oder ganz normal zum Hände waschen. Außerdem sind zwei große Wasserspender vorhanden, die mehrere Hähne mit kaltem Trinkwasser haben. Wir Passagiere können uns nicht beklagen.
Die Sonne ist aufgegangen und es verspricht ein schöner Tag zu werden. Kaum ein Windhauch. Nicht einmal die brasilianische Flagge kann sich aufraffen uns ihre ganze Schönheit zu zeigen.
Weil wir gegen den Strom unterwegs sind, fährt der Kapitän dicht unter Land. Die Geschwindigkeit ist gleichbleibend und ich habe das Gefühl, dass die Landschaft an mir vorüber gezogen wird. Es ist sehr entspannend, jedenfalls für mich.
Und natürlich sind wir nicht alleine unterwegs. Die Wasserstraße ist die einzige Möglichkeit von einem Ort zum anderen zu kommen.
Einige meiner Reisegefährten.
Unser erster Halt, um Ladung aufzunehmen, ist ein Sägewerk.
Und immer wenn die Jungs denken, "jetzt sind wir fertig", kommt eine neue Fuhre! Alles verschwindet ordentlich aufgestapelt im Bauch der Nelio Correo.
Alle Häuser am Amazonas und seinen Nebenflüssen stehen auf Stelzen. Der Fluss steigt bei Hochwasser, das es jährlich gibt, ganz erheblich. Ich habe etliche Bäume fotografiert, an deren Stämmen die Hochwasser Linien sehr gut zu sehen sind. Sie aus vierhundert Fotos heraus zu picken, wird schwierig werden. Also, geduldig sein!
Einer der Tanker, die auf dem Amazonas unterwegs sind. Manchmal ist der Fluss so breit, dass ich die großen Schiffe in ihrer Fahrrinne kaum entdecken kann.
Ob der große Kühlschrank wohl ein Weihnachtsgeschenk für die Familie ist? Wir können nur hoffen, dass er fest vertäut ist und seinen Zielort sicher erreicht!
Die meisten von uns wandern über das Boot. Wir lehnen uns an die Reling, schauen aufs Wasser oder beobachten das Geschehen an Land, unterhalten uns mit anderen Passagieren, kurzum, wir sind entspannt. Ich auf jeden Fall.
Manchmal gebe ich mir mit Hilfe eines Tritts gegen die Eisenstange einen richtig guten Schwung, der meine Hängematte erst heftig, dann immer weniger stark in Bewegung hält. Dabei lese ich Krimis, die Meike auf meinen Kindle geladen hat. Um das Glück komplett zu machen, gehört noch eine Rolle gefüllter Kekse dazu, die ich im Kiosk für 4 Rs kaufen kann.
Es erstaunt mich immer wieder, welche Ruhe abgesehen von der Musik, trotz vieler Kinder, an Bord herrscht. Die Familienmitglieder wechseln sich bei der Betreuung der Kleinen, die gerade laufen können, ab. Es dauert nicht lange, da sind mir alle verwandtschaftlichen Beziehungen meiner Mitreisenden klar, wahrscheinlich genauso klar, wie ihnen meine Beziehung zu Tristan und Florian. Ich erfahre, dass ich ihre Mutter sei. Diese Annahme ist ein größeres Kompliment für mich als das, was ich im letzten Jahr gehört habe. Da hieß es, ich sei eine amerikanische Missionarin!!
Das Tages Ereignis: der Sonnenuntergang.
Eines meiner Lieblingsbilder in der Sonnenuntergangs - Sammlung
Eine von uns Vieren verlässt das sinkende Schiff.
Ich weiß, das ist eine Redensart, aber sie erinnert mich an ein Ereignis auf dem Schiff:
Wir schippern unter Land. Plötzlich gibt es einen Schlag, das Schiff neigt sich stark nach Steuerbord, richtet sich auf und fällt nach Backbord. Die Passagiere geraten in Panik, springen aus den Hängematten, reißen die Life Jackets herunter. Das Schwanken des Schiffes wird weniger und wir setzen die Fahrt langsam fort. Ich bin auch aufgestanden und habe über die Reling geschaut ob wir ein anderes Schiff gerammt haben. Glücklicherweise nicht. Es wird eine Sandbank gewesen sein. Ich kann den Schreck der Menschen verstehen. Sie können nicht schwimmen, haben Kinder, auch Säuglinge bei sich. Manche reisen mit alten Eltern oder Großeltern.
Die Aufregung legt sich noch lange nicht. Überall stehen Grüppchen beieinander und diskutieren.
Bei Kreuzfahrtschiffen gibt es eine Sicherheitsübung, an der alle teilnehmen müssen. Hier sind zwar Rettungswesten und Rettungsfloße an Bord, ich vermute aber, dass keiner von uns gewußt hätte was zu tun ist.
Manchmal reagiere ich zeitverzögert. Als es Nacht wird, muss ich dauernd an unsere Fast - Schlagseite denken und stelle mir vor, was hätte passieren können .....
Wenn es hell wird, sind die dunklen Gedanken verwischt.
Ergänzen will ich noch, dass der Steuermann fortan einen größeren Abstand zum Ufer hält, besonders wenn es überall abgebrochen ist.
Na, seid ihr überrascht? Ja, auch Autos werden transportiert. Dieses braucht eine Weile, um das Boot verlassen zu können. Die Planken liegen nicht richtig, also noch einmal zurück, die Bretter umsortieren und noch einmal versuchen.
Viele Passagiere verlassen hier in Santarem das Schiff, aber wie ihr sehen könnt, kommen auch ein paar Neue dazu.
Dieses Foto könnte als Werbung für eine entspannte Amazonasreise genommen werden. Ich würde sofort buchen!!
Ich bin nicht ganz sicher, ob ein von Geiern gefrühstückter Kaiman auch zur Werbung beiträgt. Aber so ist das Leben hier.
Es ist genau ein Jahr seit meiner letzten Reise auf dem Amazonas her. Damals hatte ich den Eindruck, dass die Bäume in unmittelbarer Nähe des Ufers in Gefahr sind bei Abbrüchen weggerissen zu werden. Aber dass die bewaldete Küstenlinie sich so schnell verändert hätte ich nicht gedacht. Jetzt sieht es an vielen Stellen wie hier aus. Und ich befürchte, der Amazonas wird sich kurz über lang auch dieses Haus holen.
Heute geht die Sonne am gegenüberliegenden Ufer unter, als extra Beweis für das Meandern des Flusses.
Florian spielt mit den Mädchen ein selbst ausgedachtes Kartenspiel. Alle haben viel Spaß. Die Regeln sind für mich als Zuschauende nicht zu verstehen.
Später lade ich die beiden Jungen zu einem Weihnachtsbier ein. In Deutschland ist jetzt Heilig Abend.
Wie schade, dass das Foto unscharf ist! Es zeigt sehr schön die brasilianische Weihnachtsstimmung. Wir drei haben eben noch zusammen getanzt. Die Weihnachtsfrau hat unter ihrer Kopfbedeckung das Häubchen, das sie beim Essenausteilen trägt. Die linke Frau ist eine der Passagiere, die eine Kabine gebucht haben.
Vom Winde verweht und glücklich will ich euch Lieben ein frohes Weihnachtsfest wünschen
Heute Abend kommen wir in Manaus an!