Ich brauche Transport von Pantoja nach Rocafuerte und das möglichst sofort. Mein Hotelier ist behilflich. Er stellt mir einen Mann in einem orangefarbenen Warnkittel vor, der mich für 20,- $ fährt. Er läßt sich auf keinen Handel ein. Dabei habe ich noch 336,- Soles!
Da das nächste Boot erst wieder morgen früh fährt, stimme ich zu.
Meine Überraschung ist groß als ich den Orangefarbenen in dem Einbaum sehe und dazu seine ganze Familie nebst Hund! Mein Hotelier zeigt sich von seiner besten Seite - er hat auch schon 20,- $ für seinen Fast - Palast kassiert, und schleppt meine schwere Tasche zum Boot. Ich brauche etwas länger für meinen Weg. Richtig, ich habe schon wieder die Schlappen an, in denen ich so leicht ausrutsche.
Diesmal geht alles gut. Ich steige an Bord. Laut Empfehlung soll ich mich auf den Boden setzen. Nein, auf gar keinen Fall. Ich setze mich auf meine Tasche. Die Füße lege ich auf den Rucksack. Die sind noch vom gestrigen langen Sitzen geschwollen und sollen sich jetzt erholen.
Ich bin tausende Kilometer in Ufernähe unterwegs gewesen, aber noch nie so dicht wie heute. Trotz des Motorengeräuschs kann ich sie hören. Der ganze Wald scheint voller Vögel zu sein, die uns begrüßen mit ihren unterschiedlichen Stimmen und Lautstärken.
Das Mädchen, das im Bug hockt, hat das Paddel. Wenn wir uns irgendwo festfahren, steht sie auf und gibt dem Einbaum einen Stubbs. Hinter mir sitzen noch drei Mädchen in unterschiedlichen Altersgruppen mit ihrer Mutter. Sie machen mich aufmerksam auf eine Boa, die auf einem Ast liegt. Sie ist dick wie ein Männeroberarm. Leider braucht mein ungeübtes Auge zu lange, um sie zu entdecken. Bis ich den Fotoapparat herausgeholt habe, sind wir vorbei. Bei den Schildkröten klappt es besser!
Sie sitzen zu dritt auf dem alten Holzast. Ein paar Meter weiter entdecke ich eine weitere Schildkrötenfamilie.
Kommt ein Vogel geflogen,.... Wobei ich bezweifle, daß es sich bei unserem alten Kinderlied um einen Geier handelt, der sich nieder auf mein´ `Fuß setzt!!
Gut zu sehen sind die vielen alten Bäume, die der Fluß hier zusammengeschoben hat. Sonne, Wind und Wasser haben ihnen die ursprüngliche Farbe genommen. Für mich symbolisieren sie den ständigen Wandel. Ob wir es wollen oder nicht, nichts bleibt wie es ist. Es entsteht immer wieder Neues.
Hier ist schon im Laufe der Zeit eine neue Sandbank entstanden. Irgendwann werden Samen auf ihr Halt finden und sie wird grün. Wenn wir genug Zeit zum Schauen hätten , würden wir erst niedriges Gebüsch und später Bäume wachsen sehen.
Die Passagierin 1. Klasse
Erkennst du den kleinen Hund auf der Sandbank? Meine "Vorsitzende" hat ihn plötzlich geschnappt und über Bord geworfen. Er ist sofort die paar Meter zur Sandbank geschwommen. Wann hat er wohl, außer hier, die Gelegenheit zu rennen! Es gibt sonst nur Dschungel und Wasser.
Einen Moment später erkenne ich, dass wir auf dem Heimweg der Familie sind. Das Boot muß zwischen zwei Sandbänken durch fahren, um das andere Ufer zu erreichen.
Und schon haben wir uns festgefahren. Alle steigen aus und schieben, außer dem Hund. Ich soll sitzen bleiben, unbedingt. Ich lass mich doch nicht schieben - besonders, wenn das nicht einmal klappt! Außer mir und meinem Geraffel sind noch etliche gefüllter Eimer der Familie an Bord. Endlich stimmt der Kapitän unserer Mannschaft zu, dass ich meine Jeans ausziehe, aussteige und mitschiebe. Und natürlich schaffen wir es mit so viel Frauenpower!
Das Ufer ist nicht nur hoch sondern auch rutschig. Die Konsistenz des Bodens erinnert mich an Watt an der Nordsee. Es quatscht zwischen den Zehen der Mädchen durch, ist etwas zäher. Ich bin dankbar, daß keiner auf die Idee kommt, mich zu einem kleinen Kaffee im Haus einzuladen. Wenn ich durch die Mödge hätte krabbeln müssen,...!
Nach einer Weile kommt eins der Mädchen mit einem Sack und einem Päckchen in der Hand zurück, auch die Mutter begleitet uns. Wir fahren den Weg zurück, diesmal ohne "Schiebung".
Ich muß grinsen: Das Mädchen vor mir hat die schmutzige Wäsche mitgebracht. Sie schöpft ein paar Hände Wasser, reibt das Wäschestück mit Seife ein und rubbelt, spült, wringt aus. Ich drehe mich um und sehe Mama ebenfalls mit Wäschewaschen beschäftigt. Ob sie wohl ihrem Mann morgens sagt: "Lass uns Boot fahren, ich habe heute Große Wäsche"`` ?! Auf jeden Fall sind die Frauen sehr klug. Sie könnten nur mit großer Mühe Wasser zu ihrem Haus schaffen und hier gibt es das in Hülle und Fülle.
Unsere reine Fahrtzeit dauert nur zwei Stunden. Ohne Unterbrechungen. Die Freude, die ich nach der ersten Überraschung empfunden habe, war wesentlich mehr wert als die 20,- $, die ich bezahlt habe.
Wir legen in Rocafuerte an. Es gibt sogar einen Steg zum Ufer. Die Familie begleitet mich. Sie führen mich zu einer Unterkunft bei einer befreundeten Familie. Ich bedanke mich für das wunderbare Erlebnis, mit einer indigenen Familie im Einbaum unterwegs gewesen zu sein