Weil ich den Abschied noch ein wenig hinaus zögern will, wähle ich die Route Coca - Lago Agrio - Hormiga - Mocoa - Pasto.
Lago Agrio ist nur knapp 2,5 Stunden von Coca entfernt. Alex empfiehlt mir, dort das Hotel Araza aufzusuchen. Gut, dass ich diesen Tipp befolge. Ich treffe schon an der Rezeption Cecilia, die ihrer Kollegin zu Hilfe eilt, als die mein wunderbares Spanisch nicht recht verstehen kann.
Cecilia spricht perfekt Deutsch. Sie hat 6 Jahre in Lübeck gelebt und gearbeitet. Jetzt ist sie zurück gekehrt nach Ecuador. Welch ein Glück für alle deutschen Reisenden, Cecilia zu treffen, und das nicht nur, weil sie unsere Sprache spricht! Sie ist eine zauberhafte junge Frau, die sofort hilft, wenn Not an der Frau ist. Mich fährt sie zu Western Union, um Geld zu tauschen. Es sei hier günstiger als in Kolumbien. Leider nehme ich nur 60,- USD mit. Dafür bekomme ich 162.000.00 COP. So könnte ich leicht eine Karriere als Millionärin starten. Dumm ist nur, dass das viele Geld schnell wieder zur Neige geht! Aber noch sind wir in Ecuador und zahlen mit US Dollar.
Das Hotel hat einen wunderbaren Pool, den ich ausgiebig nutze. Ein Ehepaar erzählt mir später, dass der Mann bei plötzlichem Stromausfall eigentlich nur eine Stufe hinuntergehen will, als er sich im Pool wiederfindet. Seine größte Sorge gilt seiner nassen Kleidung. Sie müssen morgen weiter fahren!
Wir drei verbringen einen lustigen Abend bei eisgekühltem Bier, vielen Geschichten und viel Lachen. Die zwei sind ebenso reiselustig wie ich, und was noch erfreulicher ist, sie kommen aus Deutschland! Wir hätten fast vergessen, dass um 6 Uhr die Nacht um sein wird.
Cecilia hat mich eingeladen, am kommenden Morgen mit nach Hormiga zu fahren. Es werden Einkäufe für das Hotel getätigt. Plötzlich stellen wir fest, daß wir schon in Kolumbien sind. Ich bitte sie anzuhalten, damit ich zurück zur Grenze laufen kann. Ich brauche sowohl einen Ausreise- als auch einen Einreisestempel! Sie bestehen darauf, dass sie das Auto wenden und zurückfahren.
Ein Beamter schaut sich meinen Pass an und meint, seine Kollegin sei beim Frühstücken. Dann kann er mir doch den Stempel geben! Das ist leider nicht möglich, der Beamte ist für meine kolumbianische Einreise zuständig und vorher muss ich ausreisen! Als zwei Nachbarländer, die sich gut verstehen, teilen sie sich ein Office. Sehr klug.
Endlich ist das Frühstück beendet. Ich kenne ein nettes Fußballerzitat: "Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu!" Mit dem Pass in der Hand meint die Kollegin, dass sie erst einmal bei dem Beamten in Rocafuerte anrufen müsse, um sich bestätigen zu lassen, dass der Stempel echt sei! Glaubt sie etwa, ich hätte am heimischen Herd mit Kartoffeldruck einen Stempel gefälscht!? Wir sollen uns setzen und warten. Inzwischen fertigt sie die Gruppe Grenzgänger ab, die nach uns gekommen sind. Ich stelle fest, dass Warten nicht meine Stärke ist, besonders wo ich weiß, dass draußen zwei Personen im Auto sitzen und weiter wollen.
Aber Ende gut, Alles gut, nach der Wartezeit und einem wiederholten Anruf in Rocafuerte bekomme ich den Ausreisestempel und kann mir jetzt auch die ordnungsgemäße Einreise bestätigen lassen.
Am Busbahnhof von Hormiga verabschieden wir uns herzlich. Ich nehme den nächsten Transport nach Mocoa. Auf dieser Strecke verlassen wir Amazonien. Aus dem dichten Urwald wird mehr und mehr Weideland, in dem verstreut ländliche Ansiedlungen liegen.
Es ist hügelig und die Straße folgt jedem Auf und Ab und jeder Windung mal nach rechts und mal nach links. Der Fahrer des Kleinbusses nimmt gerne unterwegs zusätzliche Passagiere mit, die leider auf dem Boden hocken müssen, weil alle Plätze besetzt sind.
In Mocoa angekommen, esse ich erst einmal eine Schüssel Suppe, ehe ich ein neues Transportmittel suche, dass mich bis Pasto bringt. Ich wundere mich über den Fahrpreis. Eben habe ich 20.000,- COP bezahlt und diese Strecke sieht auf meiner Karte wesentlich kürzer aus und soll 30.000,- COP kosten?
Wir tanken, fahren ein paar Kilometer weiter, der Asphaltbelag hört auf und ab jetzt befahren wir eine Schotterstraße. Wir halten wieder an. Unser Fahrer marschiert um das Auto und läßt von jedem Reifen Luft ab. Aha, das mit dem Schotter hört nicht gleich wieder auf, denke ich mir. Nicht viel später sieht es aus wie auf dem Foto. Jetzt ist mir auch klar, warum der Preis bei scheinbar geringerer Entfernung höher ist: Wir fahren durch die Anden! Hier, weiter unten, können wir noch gut sehen, später in den Wolken ist die Sicht sehr schlecht. Wer annimmt, diese Schotterstraße sei ein Schleichweg, irrt sich. Es ist die normale Verbindung zwischen Mocoa und Pasto.
Wenn wir Lastern begegnen, müssen die Fahrer sehr geschickt rangieren, um aneinander vorbei zu kommen ohne abzustürzen. Sensible Menschen hätten schon das Zittern bekommen können, an vielen Stellen gibt es nicht einmal mehr das übliche Seitenblech als Begrenzung. Ein orangenes Band tut es auch!
Ich höre ein merkwürdiges Geräusch. Nicht nur ich. Der Fahrer hält an, geht um das Auto, steigt ein, fährt weiter. Dann habe ich mich wohl geirrt, und das komische Geräusch ist in Ordnung.
Wir kommen nach langsamer Weiterfahrt an eine Überholstelle und halten wieder an. Der Fahrer reißt die Schiebetür auf, wie vorhin, als in einem fast am Berg klebenden Haus ein Restaurant mit "Bano" war. Einige von uns verlassen schwerfällig vom langen Sitzen und Festkrallen an Rückenlehnen, den Wagen. Wir haben einen "Platten". Ganz klar, dass an einer schmalen Stelle keine Reparatur durchgeführt werden kann!
An interessierten Zuschauern mangelt es nicht. Aber kalt ist es. Ich nutze die Chance, als der Fahrer die Heckklappe öffnet um etwas zu suchen, meinen Pulli aus dem Rucksack zu fischen.
Bald haben wir es geschafft. Wir sehen schon die ersten Lichter im Tal. Mein freundlicher Nachbar meint fachmännisch, das sei Pastos, doch leider irrt er sich.
Und wieder halten wir an. Diesmal in der Stadt, deren Lichter wir vorhin gesehen haben. Und wieder wird auch die Tür aufgerissen. Ich steige sofort aus: Wir stehen vor einem Restaurant! Erst einmal auf die Toilette und dann eine Suppe bestellen! Den Preis pro Schüssel kenne ich schon: 3.000,-COP! Während wir essen, hat der Fahrer einen Mechaniker bestellt, der das Rad noch einmal kontrolliert und die fehlende Luft aufpumpt.
Eine Stunde später haben wir unser Ziel erreicht. Ich zerre mein Gepäck auf die vom Busbahnhof gegenüberliegende Seite. Da habe ich ein Hotelschild entdeckt. Ich zahle 50.000,- COP, der Vermieter schleppt meine Tasche nach oben. Ich will mich nur noch hinlegen und schlafen.
Aber natürlich habe ich eben nach dem Internet Code gefragt. Ich will doch wenigstens wissen, wer mir alles nicht geschrieben hat!!
Große Freude, ich habe eine Mail von meiner lieben Ruth. Dann schlafe ich jetzt noch einmal so gut.