Von der freundlichen Dame an der Rezeption erfahre ich die Nummern der Busse, mit denen ich in die Stadt fahren kann.
Bremsen sind immer wichtig, aber hier das Allerwichtigste! Es geht auf engen gepflasterten Gassen steil bergab. Gut, dass die Busse klein und wendig sind.
Der Blick auf die historische Stadtmitte ist hinreißend. Die Häuser sind fast alle in Rot- oder in Ockertönen gestrichen. Der Reiz des Stadtkerns liegt in seinem Gleichmaß. Hier stört nichts. Es fällt nichts aus der Rolle.
Die zahlreichen Kirchen dienen mir zur Orientierung. Die kleinen und größeren Parks mit ihren vielen gußeisernen Bänken sind die idealen Plätze, um im Schatten zu verschnaufen. Es ist sehr heiß.
Ich habe schon öfter erzählt, dass die Bevölkerung in diesem Teil der Welt sehr auf Gott und seine Helfer vertraut.
In einer Kirche steht vor dem Altar eine steinerne Frau im schlichten langen Kleid. Der Kopf ist etwas geneigt. Sie hält die Arme zum Empfang locker ausgestreckt und beide Hände geöffnet.
Es hat sich eine Reihe bis zu ihr gebildet. Ob Frau oder Mann, jeder ergreift vorsichtig ihre Hände und spricht mit ihr. Obwohl ich keine Katholikin bin, rührt mich der Glaube und die Hoffnung auf den Erfolg der Fürsprache.
Die Fremden sind wie überall schnell auszumachen. Die meisten von ihnen kommen aus Amerika. Mit ihrer Pension können sie hier gut leben. Und dann die Wärme, die alten Knochen und Gelenken gut tut. Auf dem Gebiet bin ich Expertin!
Diese Kirche ist rosafarben. Das fällt auf dem Foto nicht auf. Alejandro erzählt mir, dass es täglich bis zu vier Hochzeiten gibt. Natürlich werden nicht alle Braupaare aus der 140.000Einwohner zählenden Stadt kommen, aber es ist offensichtlich so attraktiv hier zu heiraten, dass weitere Wege in Kauf genommen werden. Wir Hanauer, mit dem einmalig schönen Hochzeitszimmer im Schloss, können davon doch auch ein Lied singen.
Es gibt unzählige Restaurants, die sich oft zu ihren Höfen hin öffnen, Galerien, in denen man sich freut, wenn jemand schauen kommt. Auch die Handarbeiten der Frauen aus den Dörfern haben es mir angetan. Gut, dass ich meistens so standhaft bleiben kann und nichts kaufe.
Das fällt mir nirgendwo so schwer wie in der Aurora, einer für lange Jahre geschlossenen Textilfabrik, die zu neuem Leben erweckt wurde. Hierher führt Alejandro mich, nachdem wir mein Ticket für die Fahrt nach Puebla gekauft haben. Wir wollen ein Glas Wein zusammen trinken. Er vermutet zu recht, dass mir das Ambiente gefällt.
Hier setzt er mich ab am Vormittag meines Reisetages. So viele Galerien an einem Platz! Das ist unglaublich.
In der Aurora.
Jede Tür führt in ein Atelier oder eine Galerie.
Mit diesem Künstler unterhalte ich mich eine Weile über die Vorzüge, die diese engen Kontakte zu anderen Malern eröffnen. Selbst wenn jeder zum gleichen Thema arbeiten würde, kämen doch ganz unterschiedliche Werke zustande. Die Handschrift eines jeden Künstlers ist einmalig.
Es muss doch ein sehr angenehmes Gefühl für Mario Oliva sein, wenn er morgens mit seinem riesigen Hund auf dem Weg zum Studio an seinem Namensschild vorbeikommt. Er hat es geschafft! Ich freue mich für ihn. Er ist ein aufgeschlossener, kommunikativer Maler, der sehr wohl seine Erfahrungen und Gedanken mit anderen Menschen teilen mag.
Jeder oder jede Künstlerin hat den Außenbereich nach eigener Neigung gestaltet. Ich hätte noch Stunden hier verbringen können, aber da war doch noch etwas? Ach ja, ich fahre nach Puebla!